Wie entsteht ein Fahrplan?
Am zweiten Sonntag im Dezember wechseln etliche Verkehrsunternehmen in Thüringen und ganz Europa traditionell ihren Fahrplan. Die Änderungen sind oft minimal – und doch werfen sie immer wieder eine Frage auf: Wie genau entsteht eigentlich so ein Nahverkehrsplan? Eine ausführliche Antwort finden Sie in diesem Blogbeitrag.
Komplexe Planung und viele Einflussfaktoren
Ein Fahrplan wird in den seltensten Fällen völlig neu erschaffen – immerhin haben sich Bus- und Bahnlinien über die Jahre und Jahrzehnte bewährt. Gänzlich neue Strecken sind die Ausnahme.
Fahrpläne basieren auf der jahrzehntelangen Erfahrung von Betriebsleitung und Fahrplanern. Darum werden sie lediglich punktuell an diverse Faktoren angepasst. Hieraus ergeben sich eine hohe Zuverlässigkeit, Kontinuität und Sicherheit. Der ÖPNV in Thüringen nimmt die Daseinsfürsorge sehr ernst.
Daseinsfürsorge? Unter diesem Begriff versteht man die staatliche Aufgabe, gewisse Dienstleistungen und Produkte, die für das menschliche Dasein notwendig sind, bereitzustellen. Hierzu gehört u.a. auch das Verkehrswesen.
Zu den Faktoren, die einen Fahrplan beeinflussen, gehören beispielsweise
- veränderte Straßenführungen
- langfristig geplante Baustellen
- neue Geschwindigkeitslimits
- neu- oder umgebaute Haltestellen
- veränderte Fahrgastnachfrage (> aktuelle Bedarfszahlen, Ein- und Aussteigezeiten)
- Schulnetzplanung
- Schichtzeiten der Betriebe
Ein weiterer wichtiger Punkt sind Sozialvorschriften wie Lenk- und Ruhezeiten sowie der Umstand, dass das Fahrpersonal zum Beispiel am Pausenort eine Toilette vorfinden muss.
Fahrzeugumläufe & Ladezeiten
Auch die Planung technisch sowie wirtschaftlich sinnvoller Fahrzeugumläufe hat großen Einfluss auf die Nahverkehrsplanung. Was vielen Fahrgästen nämlich gar nicht bewusst ist: Ein Busfahrer fährt mit seinem Fahrzeug keinesfalls immer wieder die selbe Strecke hin und her. Stattdessen ist effiziente Umlaufplanung um einiges komplexer und verfolgt diese Ziele:
- optimaler Einsatz von Ressourcen (Fahrzeuge, Kraftstoff, Personal)
- Vermeidung von Leerfahrten
- Kostenkontrolle
- Pünktlichkeit
- Flexibilität
- Einhaltung von Sozialvorschriften (s. oben)
- reibungsloser Betrieb (wirtschaftlich, kundenfreundlich, effizient)
Zukünftig müssen bei der Umlaufplanung auch die besonderen Eigenschaften von E-Bussen beachtet werden. Denn zum Einen hat ein E-Bus natürlich nicht die gleiche Reichweite wie ein vollgetankter Dieselbus. Und zum Anderen dauert das Laden des E-Fahrzeuges länger als ein herkömmlicher Tankvorgang. Hinzu kommen generelle Pausen für das Fahrpersonal sowie zum Reinigen und Warten der Fahrzeuge – ganz gleich, ob diese mit Strom oder Diesel fahren.
Gut zu wissen: So sorgfältig die genannten Faktoren auch bei der Fahrplanung bedacht werden, kein Fahrzeug – weder auf der Straße, noch auf der Schiene – bewegt sich im „luftleeren Raum“. Kurzfristige Baustellen, Straßen- bzw. Streckensperrungen, schlechte Witterung und viele weitere Aspekte können den Ablauf jederzeit stören und zu Verspätungen führen. Sie haben jedoch keinen Einfluss auf den Nahverkehrsplan.
Thüringer Fahrplansystem: Ein „lebender Organismus“
Fahrpläne werden außerdem nicht „für sich alleinstehend“ erstellt, sondern immer auch an andere Abfahrtzeiten angepasst. Bei der regionalen Fahrplankonferenz, die jedes Jahr im Frühjahr stattfindet, besprechen die Thüringer ÖPNV-Unternehmen beispielsweise die Umstiegszeiten vom Bus in die Bahn sowie die langfristige Baustellenplanung.
Der übergeordnete Anspruch dieser Gespräche ist, dass Anschlüsse gesichert und Wartezeiten so gut wie möglich reduziert werden. „Die Unternehmen können nicht zaubern, sind aber bemüht, alles möglich zu machen.“, sagt Tilman Wagenknecht, Geschäftsführer von Bus & Bahn Thüringen e.V..
Wagenknecht weiß um die Komplexität der Thematik und bezeichnet das Thüringer Fahrplansystem darum als „lebenden Organismus“. Er verweist auch auf den Umstand, dass der Thüringer ÖPNV auf Gemeinschaft setzt und beispielsweise alle Fahrplaninformationen in ein zentrales System speist.
Fahrplanauskunft in Echtzeit – dank Datendrehscheibe
Thüringen verfügt über ein zentrales Fahrplandatenmanagement, die sogenannte Datendrehscheibe. Ziel des Systems ist die zentrale Integration und Verteilung von Echtzeitdaten, wodurch beispielsweise auch Verspätungen und Ausfälle im ÖPNV zeitnah kommuniziert werden können.
Die dort gesammelten Informationen werden einmal pro Woche aktualisiert und an die unterschiedlichen Auskunftsstellen übermittelt. Hierzu gehören:
- BBT-Routenplaner
- DB-Navigator
- Google Maps
- Fahrplanauskunft des VMT
- KomBus-Fahrplan-App (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla-Kreis)
- Fairtiq (Mittelthüringen)
- Handyticket Deutschland (Wartburgkreis und Suhl/Zella-Mehlis)
Die digitale Auskunft im ÖPNV ist nicht nur verlässlich, maßgeschneidert und stets aktuell, sondern auch flexibel, umweltgerecht und zukunftsweisend. Für weniger online-affine Fahrgäste halten die Verkehrsunternehmen darüber hinaus weiterhin analoge Informationsmöglichkeiten wie Flyer und Fahrplanhefte bereit. In den Servicecentern können sich Fahrgäste außerdem Linienpläne und individuelle Auskünfte ausdrucken lassen.
Sie sehen: Die Erstellung und Anpassung eines Fahrplans kann durchaus als extrem durchdachte und komplexe Präzisionsarbeit bezeichnet werden. Doch so vielseitig die Einflussfaktoren und Informationsmöglichkeiten auch sind, am Ende steht über allem nur eine Maxime: Die Fahrgäste pünktlich und zuverlässig an ihr Ziel bringen.
Noch mehr Wissen von Hinter den Kulissen?
Hier finden Sie alle Fahrpläne in Ihrer Region: www.bus-bahn-thueringen.de/fahrplaene
0 Kommentare